Crowdfunding ist aktuell in aller Munde. Was noch vor wenigen Jahren lediglich für karitative oder künstlerische Projekte eingesetzt wurde, weckt mehr und mehr auch das Interesse von professionellen Anlegern. So hat sich das Volumen der Schwarmfinanzierung in der Schweiz von rund 28 Millionen Franken im Jahr 2015 auf mehr als 128 Millionen Franken im Jahr 2016 fast verfünffacht. Im Jahr 2017 dürfte das Wachstum weitergehen und das Volumen auf 300 bis 400 Millionen Franken steigen.
Der anhaltende Erfolg von Crowdfunding zeigt es: Alternative Finanzierungsarten sind gefragt und finden mehr und mehr auch den Weg in den geschäftlichen Bereich. Projektfinanzierungen ohne Bank werden für viele Private und auch Geschäfte zu einer erstzunehmenden Alternative. So erfolgreich das Crowdfunding in letzter Zeit ist, so vielschichtig sind auch die sich daraus ergebenen Fragen im Bereich Rechnungswesen und Steuern. Zwar handelt es sich bei der Schwarmfinanzierung um eine neue Art der Finanzierung, die Finanzierungsformen selber sind zivilrechtlich im Kern aber nichts Neues. Dennoch gibt es handels- und steuerrechtlich diverse Sachverhalte, welche noch nicht vollumfänglich geklärt sind. So stellt sich zum Beispiel die Frage, wie die durch das Crowdfunding erhaltenden Mittel in der Buchhaltung verbucht werden oder ob die gespendeten Beträge allenfalls der Schenkungssteuer unterliegen und welche allfälligen Auswirkungen eine Finanzierung über Crowdfunding auf die Mehrwertsteuer hat.
In Anbetracht dessen, dass sich der Umfang des Crowdfundings zukünftig noch vergrössern wird, möchten wir auf diverse dieser Fragestellungen etwas genauer eingehen. Da das Thema aber vielschichtig und umfangreich ist, würde die Beantwortung aller Fragen den Umfang eines Artikels sprengen. Deshalb starten wir heute eine Artikelserie zum Thema «Crowdfunding», in welcher wir in unregelmässigen Abständen auf ausgewählte Fragestellungen eingehen werden. Im heutigen Artikel beschäftigen wir uns mit den Grundlagen des Crowdfundings.
Crowdfunding ist eine Finanzierungsform von Projekten (oftmals als Kampagnen bezeichnet) über das Internet. Die Idee dahinter ist, dass normalerweise eine Vielzahl von Menschen (die «Crowd») Geld für kulturelle, soziale oder kommerzielle Projekte aufbringt. Die Kommunikation zwischen Geldgeber und Kapitalnehmer erfolgt internetbasiert. Die Rolle des Vermittlers übernimmt eine internetbasierte Crowdfunding-Plattform, welche für ihre Dienste eine Vermittlungsgebühr verlangt. Diese Gebühr ist meistens als Prozentsatz auf dem gesammelten Betrag definiert. Die Kapitalgeber werden je nach Crowdfunding-Art monetär oder anderweitig entschädigt.
In der Literatur wird der Begriff Crowdfunding oftmals sowohl begrifflich wie auch konzeptionell als Subkategorie von Crowdsourcing angesehen. Crowdsourcing setzt sich dabei aus den englischen Wörtern «crowd» (Menschenmenge) und «outsourcing» (Auslagerung) zusammen. Im Kontext des Crowdsourcing steht die Crowd für die Masse an Internetnutzern, oft auch einfach als Community bezeichnet. Der Begriff des Outsourcings weist auf die Auslagerung von bestimmten Aufgaben hin. Der Grundgedanke von Crowdsourcing ist entsprechend die Erledigung bestimmter Aufgaben durch eine Community.
Es werden folgende vier Formen von Crowdsourcing unterschieden:
Crowdwisdom:
Crowdwisdom (Schwarmintelligenz) nutzt die Intelligenz einer Community. Die Crowd wird in diesem Bereich zur Aktivierung und Reflexion ihres Wissens aufgefordert. Crowdcreation: Crowdcreation hat zum Ziel, das kreative Potenzial einer Crowd zu nutzen. Die gesammelten Ideen der Masse kommen beispielsweise in Form von Texten, Audiodateien oder Grafiken zur Anwendung.
Crowdvoting:
Beim Crowdvoting werden die Meinung und das Urteilsvermögen der Crowd genutzt. Ziel ist es, Ideen oder Inhalte zu bewerten. Die so strukturierten Meinungen bilden anschliessend die Entscheidungsgrundlage für die Crowd. Crowdvoting kann somit beispielsweise als Prognosewerkzeug genutzt werden.
Crowdfunding:
Auch im Bereich des Crowdfundings ist die Nutzung des Internets sowie der Crowd zentral. In Abweichung zu den oben erwähnten Kategorien stehen jedoch nicht Wissen, Meinungen oder kreatives Potenzial der Crowd im Mittelpunkt, sondern die Beschaffung von Kapital für Projekte. Die Phase der Geldbeschaffung wird als Kampagne bezeichnet.
Crowdlending:
Hierbei handelt es sich um die Vermittlung von Darlehen an Unternehmen oder Private. Als Gegenleistung erwarten die Darlehensgeber eine risikogerechte Rendite. Die Projekte, die auf diese Weise finanziert werden, sind sehr unterschiedlich: vom Familienauto über Hochzeitsvorbereitungen bis hin zum KMU-Kredit oder zur Zweithypothek.
Invoice Trading:
Hier können sich KMUs ihre offenen Rechnungen von Investoren vorfinanzieren lassen, um so Zahlungsfristen zu überbrücken und liquide Mittel freizusetzen. Die Investoren erhalten als Gegenleistung eine Rendite.
Formen und Gegenleistungen der verschiedenen Crowdfunding-Kategorien
Crowdfunding
(als Sammeln von Geldern via Internet für Projekte) lässt sich in weitere Kategorien
unterteilen. Hauptkriterium für die Unterscheidung von verschiedenen
Crowdfunding-Formen ist die Art der Gegenleistung.
Auf
der einen Seite kann diese Gegenleistung in monetärer Form erfolgen. Die
Kapitalgeber erhalten hierbei eine Beteiligung am Unter nehmen bzw.
partizipieren an dessen Erfolg (Crowd-investing) oder erhalten einen Zinsertrag
für das zur Verfügung gestellte Kapital (Crowdlending). Häufig wird auch das
Invoice Trading dem Crowd-funding zugerechnet. Beim Invoice Trading werden
offene Rechnungen verkauft. Der Ertrag aus Kapitalgebersicht besteht aus der
Differenz zwischen dem bezahlten Betrag für die Rechnung und dem tatsächlichen
Rechnungsbetrag. Je nach Geschäftsmodell der verwendeten Plattform handelt es
sich beim Invoice Trading um klassisches Crowdfunding (mehrere Personen
finanzieren die Rechnungen) oder ein Crowdfun-ding-ähnliches Modell (nur eine
Gegenpartei). Die drei Bereiche Crowd lending, Crowdinvesting und Invoice
Trading können durch ihre Nähe zu den Finanzmärkten dem Begriff «FinTech»
(financial technology) zugeordnet werden.
Die Gegenleistung für die Unterstützung einer Crowdfunding-Kampagne kann auch nicht-monetär sein. In diesen Bereich fällt das oft als
Crowdsupporting definierte Modell, welches oft auch als «Reward-based
Crowdfunding» bezeichnet wird. Beispiele für Entschädigungen sind hier
Produkte oder Dienstleistungen.
Schliesslich
ist es auch möglich, dass keine direkten und messbaren Gegenleistungen für die
getätigte Investition erbracht werden (Crowddonating). Bei einer solchen Spende
stehen somit soziale oder karitative Motive im Vordergrund. Dies ist im Übrigen
auch beim Crowdsupporting oft der Fall. Hier steht ebenfalls vielfach die
ideelle Unterstützung im Vordergrund, da die Gegenleistungen in Form von
Gütern oder Dienstleistungen objektiv oftmals schwierig zu bewerten sind und
abhängig von der Kampagne teilweise nur einem kleinen Anteil der Investition
entsprechen.
In
der Darstellung sind die fünf Crowdfunding-Kategorien und deren übliche
Gegenleistung aufgezeigt.
Crowdsupporting:
Wird häufig für kreative und kulturelle Projekte sowie Kampagnen aus dem Sportbereich verwendet. Der Investor erhält für seinen Beitrag eine einmalige Gegenleistung in Form von Produkten, künstlerischen Werken oder Dienstleistungen. Wer ein Buch mitfinanziert, erhält z. B. ein Exemplar kostenlos.
Crowddonating:
Wird vor allem für soziale, karitative und kulturelle Projekte (z. B. Spenden für Hilfsorganisationen) eingesetzt. Die Unterstützungsbeiträge sind reine Spenden, die nicht an eine Gegenleistung geknüpft sind.
Crowdinvesting:
Kommt oft bei Start-up-Unternehmen vor, welche Kapital für die Umsetzung ihrer Geschäftsidee suchen. Als Gegenleistung werden die Investoren am Unternehmenserfolg beteiligt. Ebenfalls in diese Kategorie fällt Real Estate Crowdfunding, bei dem Investoren Mitinhaber einer Immobilie werden.
Crowdlending:
Hierbei handelt es sich um die Vermittlung von Darlehen an Unternehmen oder Private. Als Gegenleistung erwarten die Darlehensgeber eine risikogerechte Rendite. Die Projekte, die auf diese Weise finanziert werden, sind sehr unterschiedlich: vom Familienauto über Hochzeitsvorbereitungen bis hin zum KMU-Kredit oder zur Zweithypothek.
Invoice Trading:
Hier können sich KMUs ihre offenen Rechnungen von Investoren vorfinanzieren lassen, um so Zahlungsfristen zu überbrücken und liquide Mittel freizusetzen. Die Investoren erhalten als Gegenleistung eine Rendite.
Es gibt mehrere Gründe, welche die Crowd dazu motivieren, eine Kampagne zu unterstützen. Der «Crowdfunding Kompass» von crowdfunding.de nennt diese Beweggründe den «Crowdinsight».
Spenden Crowdfunding (Crowddonating) – die Crowd will «Unterstützen»
Bei sozialen Projekten spendet die Crowd, ohne dass sie eine materielle oder finanzielle Gegenleistung erwartet.
Der Crowdinsight kann sein:
– Es gibt mir ein gutes Gefühl zu helfen.
– Ich leiste meinen Beitrag um die Welt ein Stück besser zu machen.
– Ich unterstütze Projekte, die «Sinn» machen. – Ich unterstütze Projektinitiatoren, die es «verdient» haben.
Die Projektinitiatoren erhalten von der Crowd die Bestätigung, dass das jeweilige Thema eine Bedeutung hat.
Klassisches Crowdfunding (Crowdsupporting) – die Crowd will «Haben»
Im Bereich von kulturellen Projekten, Erfindungen oder Designentwürfen erhält die Crowd oft ein nicht-finanzielles Dankeschön. Dies kann eine Kopie des Projektergebnisses (z. B. CD, Eintrittskarte, etc.) oder ein Exemplar der ersten Baureihe sein.
Der Crowdinsight kann sein:
– Ich bin am Projektergebnis interessiert.
– Wenn das Projekt realisiert wird, profitiere ich persönlich.
Für die Projektinitiatoren kann das Crowdfun-ding als Markttest dienen (Kommt die Idee an?
Gibt es für die Idee einen Markt?). Über die Crowd kann qualifiziertes Feedback zum Projekt eingeholt werden.
Rendite Crowdfunding (Crowdinvesting, Crowdlending) – die Crowd will «Verdienen»
Beim Crowdinvesting wird der Crowdinvestor finanziell am Projekterfolg beteiligt. Beim Crowdlending gewährt die Crowd einen Kredit zu einem vereinbarten Zins.
Der Crowdinsight kann sein:
– Ich bin am Projektergebnis interessiert.
– Wenn das Projekt realisiert wird, profitiere ich persönlich.
Die Projektinitiatoren profitieren beim Crowd-investing von der Crowd als Multiplikator, da diese finanziell am Geschäftserfolg interessiert ist. Bei Crowdlending können die Projektinitiatoren oftmals von attraktiveren Zinsen als beim klassischen Kredit profitieren, da keine Bank involviert ist.
Zu den vorab bereits erwähnten Crowdinsights «Unterstützen», «Haben» und «Verdienen» gesellen sich noch die beiden folgenden Basic-Crowdinsights:
– Ich fühle mich als Teil eines Projektes.
– Ich bin Teil einer Unterstützer-Gruppe.
Die Projektinitiatoren bekommen ein Feedback und einen Rückhalt aus der Crowd und generieren Werbung und mediale Aufmerksamkeit für ihr Projekt.
Je nach dem wie die verschiedenen Crowdin-sights bei einer Kampagne zusammengesetzt sind, werden unterschiedliche Crowds angesprochen. Das heisst, dass es von Vorteil ist, wenn sich die Projektinitiatoren im Vorfeld Gedanken machen, welche Crowd durch ihr Projekt angesprochen werden soll und wie die gewünschte Crowd am Besten erreicht wird. Basierend auf diesen Informationen, kann dann entschieden werden, mit welcher Crowdfunding-Plattform die Kampagne realisiert werden soll.
Wie das Crowdfunding selber, wächst auch die Anzahl der in der Schweiz aktiven Crowdfunding-Plattformen von Jahr zu Jahr. Die erste Crowdfunding-Plattform trat im Jahr 2008 in der Schweizer Markt ein. Im Frühjahr 2017 waren etwa rund 50 Plattformen mit einer physischen Präsenz in der Schweiz aktiv. Dazu kommen noch zahlreiche weitere, international ausgerichtete Anbieter ohne Niederlassung in der Schweiz.
So vielseitig wie die durch Crowdfunding finanzierten Kampagnen ist auch das Angebot der unterschiedlichen Plattformen. Ob eine bestehende KMU Mittel für einen Betriebsausbau braucht, ein Musikverein neue Instrumente anschaffen will, ein Gründer nach Eigenkapitalgebern für die Realisierung einer neuen Geschäftsidee Ausschau hält oder eine Hilfsorganisation Spenden für ein karitatives Projekt sammelt; für dies alles ist eine passende Crowdfunding-Plattform vorhanden. Sogar die öffentliche Hand kann über eine Plattform nach potenziellen Geldgebern suchen. Auf der anderen Seite eröffnen sich für aktive Investoren durch diese Plattformen eine Vielzahl an neuen und oftmals lukrativen Investitionsmöglichkeiten. Die Crowdfunding-Plattformen dienen also als Marktplatz für Kapitalnehmer und Geldgeber.
Der Crowdfunding Monitoring Schweiz 2017 vom Institut für Finanzdienstleistungen IFZ teilt die in der Schweiz aktiven Crowdfunding-Platt-formen in folgende Bereiche ein.
Crowdinvesting
– Crowdinvesting für Unternehmen: c-crowd, investiere, Raizers
– Real Estate Crowdinvesting: Crowd-house, Crowdli, Foxstone, Swiss-Crowd
Crowdlending
– Consumer und/oder Business Crowdlending: Cashare, CreditGate24, credit-world, Crowd4cash, Lend, lendico, Lendora, Miteinander erfolgreich, splendit, Swisspeers, Wecan.Fund
– Real Estate Crowdlending: Hypo Scout, Hypotheko, Swisslending
– Invoice Trading: Advanon
– Crowdsupporting/Crowddonating: 100-days, Cause direct, Fairfundr, Fengarion, fundeego, funders, GivenGain, GoHeidi, I believe in you, I care for you, ideenkicker.ch, Indiegogo, International Create Challenge, Kickstarter, KissKissBankBank, L6maN6o, letshelp.ch, Lions Funding Val Müstair, Lokalhelden.ch, Masspurse, Miteinander erfolgreich, moBOo.ch, Progettiamo, Projaction, Projekt-Starter, Startnext, Veolis (auch in anderen Bereichen tätig), wemakeit
Welche Plattform für die jeweilige Crowd funding-Kampagne am geeignetsten ist, muss jeder Projektinitiator für seine Idee selber festlegen.
Wie eine neue Geschäftsidee mittels erfolgreicher Umsetzung einer Crowdfunding-Kampagne zum Leben erweckt wird, erfahren Sie ebenfalls in den vorliegenden Business News. Julia Furrer und Kevian Steiner, «Gingerlovers» und Hersteller des SAMA SAMA-Ingwerlikörs, erzählen über ihre Erfahrungen rund ums Crowdfunding.
Unsere Artikelserie zum Thema «Crowdfunding – Fragen und Antworten zur neuen Finanzierungsform» setzten wir zur gegebenen Zeit fort. Dann werden wir uns etwas intensiver mit den steuerlich- und handelsrechlichen Aspekten des Crowdfundings beschäftigen.
Quellen:
– Hochschule Luzern – Wirtschaft, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Crowdfunding Monitoring Schweiz 2017, www.hslu.ch/crowdfunding
– crowdfunding.de, Der Crowdfunding Kompass – Ein Orientierungs-Geber zum Thema Crowdfunding, www.crowdfunding.de
Betriebsökonom FH
Dipl. Informatiker, Fachrichtung Business Solutions
Hotelier/Restaurateur HF /SHL